Sonntag, 4. Dezember 2011

IM REICH DES EREMITEN

In der Vergangenheit wurde La Gomera oft als Hippie-Insel bezeichnet, obwohl diese Bezeichnung der Realität nicht gerecht wird. Es mag zwar sein, daß die Hippies der 70er Jahre die ersten waren, die sich dort einst in größerer Anzahl niederließen, im Gefolge kamen jedoch vielerlei Individuen wie sie unterschiedlicher und gegensätzlicher oft gar nicht sein konnten, deren einzige Gemeinsamkeit darin bestand, anders als die Masse ein selbstbestimmtes Leben führen zu wollen. Realitätsgerecht ist eher, wenn man hinsichtlich La Gomera von einer „Insel der bunten Vögel“ spricht. Einer davon ist der Eremit, der es durch seine Kochkünste zu einer Bekanntheit brachte, zumal er zwischenzeitig auch auf der Wanderkarte verzeichnet ist.
Wenn man nach Gomera kommt und nicht wenigstens einmal den Eremiten besucht, hat man etwas versäumt. Folglich stand dies bei mir natürlich auf dem Programm.
Im Tal des großen Königs wurde kolportiert, der Eremit habe Feigen geerntet und diese würden rasch verderben, wenn sie nicht baldigst im Wodka konserviert würden. Und da der Wodka offensichtlich der Basisrohstoff für seine zahlreichen schmackhaften Liköre ist, die er mixt, benötigte er wieder mal einen Nachschub. Dieser musste natürlich dorthin transportiert werden. Der Eremit wird vorwiegend von Wanderern besucht, die naturgemäß keine große Lust verspüren, 24 Wodkaflaschen im Rucksack zu schleppen. Daher habe ich es übernommen, sie mit dem Auto dorthin zu transportieren. Der Eremit Ernesto (Ernst) lebt zwar nicht mal 8 km Luftlinie vom Valle Gran Rey (Tal des großen Königs) entfernt, um hinzukommen muss man jedoch 1 ¼ Stunden fahren. Erst rauf auf 1300 Meter und dann in einem anderen Tal wieder runter bis zu Ernestos einsamen Gehöft, welches in 653 Metern Höhe über dem Meer thront.
Da ich morgens zeitig aufbrach, aber nicht vor den Wanderern dort sein wollte, fuhr ich erst mal nach Playa Santiago wo ich noch frisches Brot und Bier besorgte, worüber es hieß, daß sich der Eremit besonders darüber freut. Anschließend ging’s wieder bergwärts nach Alajero und danach wieder talwärts.
Ich parkte korrekt neben Ernestos altem Auto, welches, seit ihm von netten Zeitgenossen der Motor geklaut wurde, nunmehr in Palmzweigen eingekleidet seinem natürlichen Zerfall durch den Eisenfresser (Rost und Erosion) entgegensieht. Ein kurzer Anruf mit dem Handy und kurz danach kamen die Wanderer, die beim Transport über die letzten 100 Meter behilflich waren.

Nach vollbrachter Arbeit gab es den Begrüßungsdrink und einen schmackhaften Imbiss als Vorspeise. Als Fahrer musste ich mich beim Kaktusschnaps und anderen Köstlichkeiten zurückhalten und stattdessen Tee trinken, welcher in unbegrenzter Menge vorhanden war. Getrübt wurde der Aufenthalt nur durch die zahlreichen Wadenbeißer. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, eine lange Hose anzuziehen.

Im Verlauf des Nachmittages zeigte uns Ernst den Raum welcher ein neues Dach bekommen hat und liebevoll adaptiert wurde. Ernst erzählte auch, daß ihm seine Hündin entlaufen sei und er nicht weiß, wo er sie suchen sollte. Vermutlich dürfte sie mit einem Wanderer mit ins Valle Gran Rey gelaufen sein und danach nicht gewusst haben, wie sie wieder nach Hause kommen könne. Er bat darum, die Information im Valle weiter zu verbreiten, was wir auch taten. Da wir selbst jedoch nicht wussten, wie sie aussieht konnten wir allerdings nicht viel mehr tun, als diese Information weiter zu kolportieren.

Als zwei weitere Wanderer hinzu kamen, gab es ein Menü, bestehend aus der berühmten Kaktussuppe (es ist auch Knoblauch dabei), einen vorzüglichen faschierten Braten und zum Nachtisch Rotweinbirne.
Kurz nach 18:00 Uhr gab es den täglichen prachtvollen Sonnenuntergang und danach wurde es dunkel. Ernst zündete eine Petroleumlampe an, denn sein 350 Watt Zweitaktkraftwerk wirft er meist nur dann an, wenn sein Handy einer Aufladung bedarf. Aber hie und da macht er auch eine Ausnahme. Als einmal infolge eines Kurzschlusses im Kraftwerk San Sebastian auf der gesamten Insel der Strom für eine Nacht ausfiel, warf er es an und hatte damit das einzige Gehöft, wo es Licht gab. Es wurde uns auch angeboten, dort zu nächtigen, was ich aber dankend ablehnte, weil ich einerseits nicht wusste, wie kalt es in der Nacht auf 653 Metern Höhe noch werden würde und weil ich am nächsten Morgen um 9:00 Uhr den Wagen zum Vermieter zurückbringen musste.
So drängte ich dann um 20:00 Uhr darauf, zurück in das Tal des großen Königs zu fahren. Wir boten Ernst auch noch an, einen Müllsack und ein Paar Säcke mit leeren Flaschen zur Entsorgung mitzunehmen, da sich auf der Wegstrecke ohnehin zahlreiche Mülltonnen befinden. Nachdem wir eine angemessene Spende hinterließen machten wir uns an die Verabschiedung. Wann ich denn wieder komme, wollte Ernst von mir wissen. Meine Antwort darauf war, daß ich zwar gerne bald wieder kommen würde, aber aller Voraussicht nach doch wieder ein Jahr verstreichen würde, bis es wieder so weit ist.
Für den Weg zum Auto war ich froh, daß mein Handy über eine integrierte Taschenlampe mit einer erstaunlich guten Lichtstärke verfügt.
Ich startete den Motor, das Außenthermometer zeigte 18 Grad. Je weiter wir bergwärts fuhren, umso tiefer fiel die Temperatur. Wir kamen in die Nebelzone und dort hatte es nur mehr 11 Grad. Ich schaltete die Heizung ein. In Las Hayas sahen wir eine Mülltonne, wo wir die Säcke entsorgen konnten. Danach ging’s weiter nach Arure und über die Serpentinenstraße runter ins Valle Gran Rey. Die Außentemperatur stieg wieder und als wir unten waren, hatte es angenehme 22 Grad.

Wer mehr über den Eremiten wissen will, kann hier und hier und hier klicken.

Und wer den Eremiten besuchen möchte, sollte 2 - 3 Tage vorher mal anrufen oder eine SMS schicken an +34699255689 um sicher zu sein, daß er nicht gerade seinen Einkaufstag hat, denn vom Einkaufen ist man dort nicht in einer halben Stunde zurück.

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