Montag, 23. Dezember 2013

Der Weitblick auf die Welt.


Ein von mir immer wieder gerne aufgesuchter Ort ist der Mirador de Igualero. Hier befindet sich auch der höchstgelegene Weiler der Insel, wo aber nur wenige Menschen leben. 

1300 Meter über dem Meer ist es hier im Winter meist kalt und windig, weswegen man schon nach wenigen Minuten gerne wieder das Auto besteigt und talwärts fährt. Aber man kann auch mal das Glück haben dass es warm und windstill ist und es sich lohnt, den Sonnenuntergang abzuwarten. Hier schwebt man nicht nur hoch über dem Ozean, sondern an diesem Tag im März 2013 sogar über den Wolken.
Die Rundung der Erde ist jedenfalls so klar erkennbar, dass es geradezu unvermeidlich wird, sich die Frage zu stellen, wie denn die Menschheit jemals annehmen konnte, die Erde wäre eine Scheibe.
Bevor es Straßen gab, war Igualero sicher einer der isoliertesten und abgelegensten Orte der alten Welt. Und dennoch hatten die wenigen Menschen dort etwas, das den Menschen in engen Alpentälern ebenso wie auch in größeren Ballungsräumen, wo man sich gerne hinter hohen Hecken und Zäunen versteckt, fehlt: den Weitblick.
Den Blick für die Welt, den Blick dafür, dass die Welt am Horizont des Ozeans noch lange nicht zu Ende ist und die Einsicht, dass die Erde ein großes einheitlich Ganzes bildet.
Daher mag es wohl kein Zufall sein, dass gerade von hier viele Menschen in der Hoffnung auf ein besseres Leben auf den Weg westwärts über den Ozean zogen. Auch diese machten in der Ferne ihre Erfahrungen. Die einen hatten mehr Glück, andere wieder weniger. Und dass man nicht überall willkommen geheißen wird, vor allem wenn man mittellos in einem kleinen Boot ankommt dürfte auch eine von vielen Erfahrungen gewesen sein. Heute verlauft die Migration wieder in die Gegenrichtung. Enkel und Urenkel der einstmals Ausgewanderten interessieren sich plötzlich für die Heimat ihrer Vorfahren und bleiben manchmal auch hier.
Ein anderer Migrantenstrom setzte in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts aus dem Norden
Europas ein. Für diese Menschen waren nicht wirtschaftliche Gründe, sondern der Drang nach einer individuellen Lebensführung in einer landschaftlich schönen Umgebung mit ganzjährig angenehmen Klima das Motiv für die Migration.
Und seit einigen Jahren besteht ein wieder ein neuer Migrantenstrom, der diesmal von Süden kommt. In kleinen Booten kommen Menschen aus dem nahen Afrika und erinnern die Gomeros an ihre eigene Situation, so wie sie 70 Jahre früher bestand.

Man könnte sich jetzt fragen, warum die Menschen hier trotz ihrer geographischen Lage, die sie zur ersten Anlaufstelle dieser Ströme macht, ziemlich entspannt mit dieser Situation umgehen, wohingegen 3600 km weiter nordöstlich, weitab vom Geschehen die gleiche Situation von vielen wie eine Bedrohung empfunden wird.
Auf diese Frage glaube ich, ein paar Antworten gefunden zu haben:
1. Für eine Gesellschaft, in der so gut wie jede Familie Verwandschaft in  Übersee hat, mag es eine logische Sache sein, dass sich Menschen auf der Suche nach ihrem Lebensglück auch auf Wanderschaft begeben können.
2. Wer den Weitblick direkt vor sich hat, bekommt leichter ein Gefühl für das globale Ganze als jemand, der erst die undurchsichtige Hecke seines Kleingartens überwinden muss um sehen zu können wie die Welt draußen aussieht.






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